Handlungsfeld G1.1: Raumwärmebedarf im Neubau reduzieren und dekarbonisieren

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Für den Inhalt verantwortlich: Martin Ploß

Mitarbeit: Theresia Tschol, Christof Drexel

Das Handlungsfeld mit seinen abgeleiteten Maßnahmen bezieht sich auf das Aktionsfeld 6.4 der Strategie der EA+.

Status quo

Ausgangslage und Zielsetzung

Vorarlberg war in den vergangenen Jahren das Bundesland mit der höchsten Neubaurate in Österreich, Österreich zählt zu den Ländern mit den höchsten Neubauraten Europas. Die österreichweite Neubaurate liegt um mehr als das Doppelte über dem Vergleichswert Deutschlands. Die energetische Qualität des Neubaus und dessen Dekarbonisierung sind daher für die Entwicklung des Endenergiebedarfs und der Treibhausgasemissionen von Bedeutung. Gegenwärtig beträgt der Anteil der Neubauten mit Gasheizung 26% (EAWZ-Bericht 2020) und der zulässige Energiebedarf liegt weit über dem kostenoptimalen Bereich. Dadurch werden immer noch neue Emissionen geschaffen, die schon jetzt eine Altlast darstellen. Im Mittel der vergangenen Jahre wurden jährlich etwa 3.200 neue Wohneinheiten neu errichtet (Statistik Austria: Wohnen 2021, Seite 87), ähnliche Zahlen nennt auch [1]. Die Neubaurate der vergangenen Jahre lag bei etwa 1,8% des Bestandes an Wohneinheiten (Bezug auf die Anzahl der Wohneinheiten). Die Neubaurate im Wohnbau lag damit in den vergangenen Jahren weit höher, als die Abrissrate, die auf etwa 0,4% p.a. anstieg (Wohnen 2021, Seite 87, Bezug auf Anzahl der Wohneinheiten). Auch Bevölkerungszunahme (+0,3% p.a.) und die Zunahme der Pro-Kopf-Wohnfläche (+0,3% p.a.) erklären die hohe Neubaurate nicht ausreichend.

Die Gesamt-Wohnfläche der neu errichteten Wohneinheiten kann im Mittel der vergangenen Jahre auf etwa 250.000 bis 300.000 m² p.a. abgeschätzt werden. Die o.g. Anzahl der fertiggestellten Wohneinheiten lag in den vergangenen Jahren z.T. merklich über dem Bedarf zur Versorgung der Wohnbevölkerung (Amann). Dies liegt an der zunehmenden Anzahl an Wohneinheiten, die als Zweitwohnsitz errichtet wurden.

Wohngebäude-Neubauten, die die Mindestanforderungen der aktuellen Bautechnikverordnung für 2022 gerade einhalten, haben - bei Beheizung durch Gas, Fernwärme oder Biomasse - im realen Betrieb spezifische Endenergieverbräuche für Heizung und Warmwasser von etwa 75 bis 85 kWh/(m²WNFa). Die besten in den letzten 10 bis 15 Jahren in Österreich und Deutschland errichteten mit Gas oder Fernwärme beheizten Wohngebäude (Mehrfamilienhäuser) haben spezifische Endenergieverbräuche für Heizung und Warmwasser von etwa 35 bis 50 kWh/(m2WNFa). Die besten wärmepumpenversorgten Gebäude erreichen Werte von 10 bis 15 kWh/(m²WNFa). Wie Wirtschaftlichkeitsberechnungen zeigen, war dieses Energieniveau schon vor den aktuellen, drastischen Energiepreissteigerungen kostenoptimal. [2]

Das wirtschaftliche Einsparpotenzial liegt für Gebäude mit Gas bzw. Fernwärmeheizung in der Größenordnung von etwa 40 bis 45 kWh/(m²WNFa), d.h. bei etwa 50% des aktuellen Wertes, für Gebäude mit Wärmepumpenheizung bei etwa 10 bis 15 kWh/(m²WNFa).

Zu den Nutzflächen und zum realen Energieverbrauch des Bestandes an Nicht-Wohngebäuden sind nur wenige, meist ungenaue statistische Daten verfügbar. Diese ergeben nach (EIV 2021) das folgende Bild:

Die Nutzfläche der Nicht-Wohngebäude betrug im Jahr 2017 etwa 11,1 Mio. m2, dies entspricht etwa 39% der Wohn- und Nutzfläche des Gebäudebestandes. Knapp zwei Drittel der Fläche werden fossil beheizt, weitere ca. 10% direkt-elektrisch.

Der Endenergieverbrauch für Wärme (Heizung und Warmwasser) wird in (EIV 2021) mit 1.060 GWh/a abgeschätzt, im EAV+-Monitoringbericht werden 1.138 GWh/a genannt. Nicht-Wohngebäude verursachen damit knapp ein Drittel des Endenergieverbrauchs für Wärme des Gesamt-Gebäudebestands.

Aus dem Gesamt-Endenergieverbrauch der Nicht-Wohngebäude für Wärme und ihrer Gesamtfläche kann ein mittlerer spezifischer Endenergieverbrauch (Heizung und Warmwasser) von etwa 96 kWh/(m²WNFa) abgeleitet werden.

Die Mindestanforderungen der OIB Richtlinie 6 (2019) sowie der Bautechnikverordnung bleiben auch für Nicht-Wohngebäude weit hinter dem Kostenoptimum zurück – siehe Zielwerte nach SIA 2024.

Durch das Ausschließen von fossilen Energieträgern und die Begrenzung des Endenergiebedarfs für Heizung und Warmwasser auf 45 kWh/m²a entsteht bei einer zukünftigen mittleren Neubaurate von 1% (ca. 305.000 m² Nutzfläche pro Jahr, Wohn- und Nichtwohngebäude) und der Wärmeversorgung über Wärmepumpe mit einer JAZ von 3,5 bis 2040 ein zusätzlicher Energiebedarf von 71 GWh/a und damit - über den zunächst erforderlichen Import von elektrischer Energie - eine Emission von rund 28.000 Tonnen CO2 pro Jahr. Ausgehend von einem schlechten Energiestandard, aber nur einer Teilbeheizung von 50% führt die derzeitige Abrissrate von ca. 0,4% demgegenüber zur Reduktion der Endenergiebedarfe für Öl, Gas, Biomasse und Direktstrom von insgesamt rund 150 GWh (ebenfalls bis 2040). Die damit verbundene Emissionsreduktion beträgt rund 30.000 Tonnen CO2 pro Jahr. Hinzu kommt allerdings ein zusätzlicher Bedarf für Haushalts- und Nutzerstrom von ca. 126 GWh/a dazu, was mit rund 44.000 Tonnen CO2 pro Jahr verbunden ist.

Gesetze und Verordnungen, regional

  • Bautechnikverordnung Vorarlberg, Stand November 2021: [3] – nimmt Bezug auf die unten genannten Gesetze und Verordnungen auf Ebene Bund und EU.

Gesetze und Verordnungen, Bund und EU

  • OIB-Richtlinie 6 (2019): [4]
  • Europäische Gebäuderichtlinie, Richtlinie EU 2018 (844) - EPBD: [5]
  • Erneuerbare-Wärme-Gesetz - EWG (in Begutachtung, Stand Juli 22): [6] (u.a. Gasheizungsverbot im Neubau ab 2023)

Förderungen und Subventionen, regional

  • Wohnbauförderung Vorarlberg 2021/2022: [7]
  • Energieförderung Vorarlberg 2022: [8]Bedarfszuweisung für öffentliche Gebäude [9]; bei Kindergärten und Kinderbetreuung: Landesförderungen statt Bedarfszuweisung)

Förderungen und Subventionen, Bund und EU

  • KPC-Förderung für energieeffizienten Neubau, (Betriebe): [10]

Maßnahmen

Neuauflage Bautechnikverordnung (G1.1.1)

In der für den 01.01.2025 geplanten Neuauflage der Bautechnikverordnung Vorarlberg sollten - z.T. in Umsetzung der für 2023 erwarteten Novelle der EPBD und der OIB Richtlinie 6 sowie des Erneuerbare Wärme Gesetzes - die folgenden Änderungen in Bezug auf hocheffiziente Neubauten mit Wärmepumpe oder grüner Fernwärme aufgenommen werden:

  • Verbot von Gasheizungen in neuen Wohn- und Nichtwohngebäuden (Umsetzung Erneuerbare Wärme Gesetz)
  • Verschärfung des Anforderungsniveaus für die Qualität der Gebäudehülle (strengere Anforderungen an den Heizwärmebedarf, so dass reale Heizwärmeverbräuche von 20 kWh/(m²WNFa) für MFH bis 30 kWh/(m²WNFa) für EFH resultieren)
  • Verschärfung des Anforderungsniveaus für PEB und CO2, so dass reale Endenergieverbräuche (Heizung + Warmwasser) von 45 bis 50 kWh/(m²WNFa) für Gebäude mit Fernwärme- oder Biomasseheizung bzw. von 16 bis 18 kWh/(m²WNFa) für Gebäude mit Wärmepumpenheizung resultieren

Die Kompetenz für die Maßnahme liegt beim Land Vorarlberg.

Der Erfolg der Maßnahme kann über ein Monitoring der leitungsgebundenen Energieträger Fernwärme und Wärmepumpenstrom gemessen werden.

Neuauflage Wohnbauförderrichtlinie (G1.1.2)

In der übernächsten Novelle der Wohnbauförderrichtlinie sollten zum 01.01.2025 über die Anforderungen der BTV 2025 hinausgehend die folgenden Änderungen umgesetzt werden:

  • Reduktion der Gesamtförderung für den Neubau von Wohngebäuden zugunsten der Förderung hochwertiger Sanierungen. Derzeit sind die Fördermittel für den Neubau in Vorarlberg noch deutlich höher, als die für die Sanierung. Im Vergleich dazu werden in Deutschland für 2023 Haushaltsmittel von 1 Mrd. EUR für den Neubau und 14 Mrd. für die Sanierung bereitgestellt; der Förderschwerpunkt wurde in sehr kurzer Zeit vom Neubau auf die Sanierung verlagert. Wie das Beispiel Deutschlands zeigt, sollte die Verlagerung vom Neubau auf die Sanierung schrittweise erfolgen, so dass sich die Baubranche auf die neuen Marktverhältnisse einstellen kann.
  • Verlagerung der verbleibenden Förderungen für Neubauten von Einfamilien- auf Mehrfamilienhäuser; im zweiten Schritt Beendigung der Wohnbauförderung für den Neubau von Einfamilienhäusern.
  • Beschränkung der Förderboni für Energie (besser: der gesamten Wohnbauförderung) auf Neubauten, die die Mindestanforderungen der BTV 2025 merklich unterschreiten:
    • Energieboni nur für Neubauten, deren zu erwartender realer Endenergieverbrauch (Heizung + Warmwasser) unter 40 kWh/(m²WNFa) für Gebäude mit Fernwärme- oder Biomasseheizung bzw. unter 14 kWh/(m²WNFa) für Gebäude mit Wärmepumpenheizung liegt.

Die Kompetenz für die Maßnahme liegt beim Land Vorarlberg.

Der Erfolg der Maßnahme kann über ein Monitoring der leitungsgebundenen Energieträger Fernwärme und Wärmepumpenstrom gemessen werden.

Einführung Beratungsprogramm energetisch-wirtschaftliche Optimierung von (MFH)Neubauten (G1.1.3)

Um den Akteuren der Bauwirtschaft den schnellen Übergang zu hocheffizienten, dekarbonisierten und wirtschaftlichen Neubauten zu erleichtern, sollte ein Beratungsprogramm zur energetisch-wirtschaftlichen Optimierung ab 2023 eingeführt werden. Die Beratung sollte zunächst für Mehrfamilienhäuser angeboten werden und in einer zwei- bis dreijährigen Pilotphase vom EIV, später von weiteren Akteuren angeboten werden. Ziel ist es, möglichst vielen Bauträgern an einem Projekt die Vorgehensweise zur energetisch-wirtschaftlichen Optimierung aufzuzeigen. Im Rahmen der energetisch-wirtschaftlichen Optimierung werden sowohl die Energieverbräuche und THG-Emissionen im Betrieb, als auch jene in der Herstellungsphase betrachtet. Die Beratung sollte einen Umfang von etwa 10.000 EUR pro Projekt haben, 5.000 EUR davon gefördert vom Land, der Rest als Eigenbetrag des Bauträgers.

Die Kompetenz für die Maßnahme liegt beim Land Vorarlberg.

Erfolgsindikator ist die Anzahl der Beratungen.

Auszeichnung der Gebäude mit dem niedrigsten gemessenen Verbrauch je Nutzungstyp (G1.1.4)

Während jeder PKW-Besitzer den ungefähren Verbrauch seines Autos kennt, kennt kaum ein Hausbesitzer oder Mieter seinen spezifischen Verbrauch für Heizung und Warmwasser. Um das Bewusstsein für den eigenen Verbrauch zu schaffen und die großen ungenutzten Einsparpotenziale aufzuzeigen, sollten die Gebäude mit den niedrigsten gemessenen, spezifischen Endenergieverbräuchen jährlich oder jedes zweite Jahr ausgezeichnet werden (Auszeichnungsveranstaltung, Broschüre, internet-Datenbank…). Geeignete sind jene Gebäudekategorien, deren mittleres Nutzerverhalten sich gut voraussehen lässt und die aufgrund eines ähnlichen Nutzerverhaltens gut vergleichbar sind. Dies sind vor Allem Mehrfamilienhäuser, Schulen und Kindergärten sowie Bürogebäude. Die Maßnahme sollte sowohl für den Neubau, als auch für Sanierungen durchgeführt werden.

Die Kompetenz für die Maßnahme liegt beim Land Vorarlberg.

Erfolgsfaktor ist die Anzahl der durchgeführten Auszeichnungsveranstaltungen.

Begrenzung der Anzahl der Zweitwohnsitze (G1.1.5)

Zur Begrenzung des Zuwachses an Wohneinheiten, des Herstellungsaufwandes und der Flächenversiegelung sollten Maßnahmen ergriffen werden, mit denen auf Landes und/oder Gemeindeebene die Anzahl der Neubauten von Zweitwohnsitzen begrenzt wird. Derartige Maßnahmen wurden in einzelnen Gemeinden Vorarlbergs und anderer Bundesländer bereits ergriffen.

Die Maßnahme führ dazu, dass der Wärmebedarf der Neubauten weniger stark anwächst und führt dazu, dass Kapazitäten in der Baubranche für die Sanierung frei werden.

Die Kompetenz für die Maßnahme liegt beim Land Vorarlberg/bei den Gemeinden.

Erfolgsindikator ist die Anzahl der neu errichteten Wohneinheiten mit Zweitwohnsitzmeldung.

Auswirkungen der Umsetzung

...auf die Ökonomie

Zur Kostenoptimalität von Neubauten liegt eine Reihe von Studien und Untersuchungen vor; zuletzt zusammengefasst im Buch "LowCost nZEB", herausgegeben vom Energieinstitut Vorarlberg, der Universität Innsbruck und der Technischen Hochschule Rosenheim [11]. Die Höhe der Mehrkosten für bessere energetische Qualität hängt von einer Vielzahl von Parametern ab, darüber hinaus müssen für die zukünftigen Energiekosten Annahmen getroffen werden, die bekanntermaßen große Unsicherheiten mit sich bringen. Dementsprechend wurden sinnvollerweise eine große Anzahl an Varianten betrachtet und Bandbreiten für die Kostenoptimalität ermittelt: Gebäude, deren Betriebsemission für Heizung, Warmwasser, Haushaltsstrom sowie Allgemein- und Hilfsstrom zwischen 9 und 23 kg CO2 pro m² Wohnnutzfläche und Jahr emittieren, sind "ökonomisch optimal"; die vorgeschlagenen Grenzwerte für 16-18 kWh_EEB pro m²WNF und Jahr (Wärmepumpen), bzw. 45-50 kWh_EEB pro m²WNF und Jahr für alle anderen Systeme befinden sich im unteren Drittel dieser Bandbreite.

Die Kosten dieses Handlungsfeldes nach der Annuitätenmethode werden somit mit Null beziffert, dennoch sollen Finanzierungsbedarf und Rückflüsse abgebildet werden. Hierfür wird eine (Mehr-)Investition von 100 €/m²WNF angesetzt, was bei einer Lebensdauer von 50 Jahren und einem Zinssatz von 1,5% einer Annuität von 2,86 €/a entspricht. Demgegenüber liegt die Einsparung an elektrischer Energie bei 10 kWh/m²WNF.a; bei einem Ausgangspreis von 0,18 €/a und einer jährlichen Preissteigerung von 1,7% führt das zu einer mittleren Ersparnis von ebenfalls 2,8 €/a.

...auf den Arbeitsmarkt

in Arbeit

Sonstige Auswirkungen

Co-Benefits

Reduktion externalisierter KostenGesundheit, Lebensqualität, Versorgungssicherheit, Sozialkapital,...

Nachteilhafte Nebenwirkungen

Partizipation

Wie müssen die betroffenen Akteure miteinbezogen werden?

Umsetzergruppe

Interessensvertretungen, Netzwerke

Technologie- und Lösungsanbieter

Unabhängige FachexpertInnen

Allgemeine Anmerkungen