Handlungsfeld G1.3: Sanierungsrate erhöhen

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Für den Inhalt verantwortlich: Martin Ploß

Mitarbeit: Theresia Tschol, Gerold Strehle, Christof Drexel

Das Handlungsfeld mit seinen abgeleiteten Maßnahmen bezieht sich auf das Aktionsfeld 6.5 der Strategie der EA+.

Status quo

Ausgangslage und Zielsetzung

Um einen relevanten Teil des Gebäudebestands auf einen klimaverträglichen Energieverbrauch abzusenken, muss die gewichtete thermische Sanierungsrate der Gebäudehülle von derzeit etwa 0,85% [1] (für Wohngebäude) deutlich erhöht werden. Die Mindestrate liegt bei 1,8%, weil das auch der Sanierungsrate auf Basis der technischen Lebensdauern der einzelnen Bauteile entspricht; aus ökonomischer Sicht fallen deshalb nur Mehrkosten für die höhere energetische Qualität an. Aus klimapolitischer Sicht ist eine temporäre Erhöhung auf 3,0% anzustreben, was aber mit deutlichen Mehrkosten verbunden ist. Dass derartige Sanierungsraten in der Praxis umsetzbar sind, zeigen Beispiele wie die Stadt Bottrop, die durch ausgeweitete Beratungsangebote die Sanierungsrate stark steigern konnte. Die Modellierung erfolgt in diesem Fall deshalb in zwei Varianten, um den Weg zur Nettonull volkswirtschaftlich optimal beschreiten zu können (Das Ergebnis dieser Betrachtung wird an dieser Stelle unmittelbar nach Vorliegen veröffentlicht). Bei einem Wohngebäudebestand in der Größenordnung von 186.000 Wohneinheiten (Haupt- und Nebenwohnsitz-Wohneinheiten gemäß Kohortenmodell EIV) bedeutet dies, dass pro Jahr statt bisher etwa 1.600 Wohneinheiten (160.000 m²) zukünftig die Gebäudehüllen von etwa 3.350 Wohneinheiten (=335.000 m²) bei Sanierungsrate 1,8% bzw. 5.600 Wohneinheiten (=560.000 m²) bei Sanierungsrate 3,0% vollständig saniert werden müssen.

Ein Haupthindernis für die Erhöhung der Sanierungsrate ist der Mangel an Arbeitskräften in der Bauwirtschaft. Gemäß einer Abschätzung aus dem Jahr 2019 würde für die Verdoppelung der thermischen Sanierungsrate, die Steigerung der Sanierungsqualität und die Erhöhung der Kessel-Austauschrate auf 4,5 bis 5% etwa 1.800 neue Arbeitsplätze benötigt (Ploß 2019).

Nimmt man auch für den Bestand an Nicht-Wohngebäuden (ca. 11,1 Mio m² Nutzfläche [2]) eine Steigerung der gewichteten thermischen Sanierungsrate auf 3,0% p.a. an, so wäre zukünftig die Gebäudehülle von Wohn- und Nichtwohngebäuden mit einer Wohn- bzw. Nutzfläche von etwa 890.000 m² jährlich zu sanieren.

Der spezifische Endenergiebedarf kann bei einer Sanierungsrate von 1,8% im Mittel um 140 (von 200 auf 60) kWh/m²a reduziert werden; das führt bis 2030 zu einer – gegenüber der heutigen Sanierungsaktivität - zusätzlichen Reduktion des Wärmebedarfs um 280 GWh/a, bis 2040 zu weiteren -350 GWh, wobei hier der zusätzliche Effekt des höheren energetischen Standards (Handlungsfeld G1.2) bereits berücksichtigt ist. Emissionsseitig wirkt sich die Erhöhung der Sanierungsrate bis 2040 mit einem Minus von 0,35 Tonnen CO2 pro Person und Jahr aus (zusätzlich zum Effekt des höheren Standards). Bei einer erhöhten Sanierungsrate von 3% werden auch schon Gebäude mittleren Energieverbrauchs saniert, sodass sich die spezifische Einsparung auf 90 (von 160 auf 70) kWh/m²a reduziert. Die zusätzlichen Einsparungen können für 2030 und 2040 mit 270 GWh und 337 GWh beziffert werden (-0,35 Tonnen CO2 pro Person und Jahr bis 2040.

Gesetze und Verordnungen, regional

  • keine

Gesetze und Verordnungen, Bund und EU

  • Europäische Gebäuderichtlinie, Entwurf 2022 (Vorgaben für Sanierung der schlechtesten 15% des Bestandes)

Förderungen und Subventionen, regional

  • Wohnhaussanierungsrichtlinie 2022: [3]
  • Energieförderung Vorarlberg 2022: [4]
  • Bedarfszuweisung für öffentliche Gebäude: [5]
  • KPC-Förderung für die thermische Sanierung von Betrieben: [6]

Förderungen und Subventionen, Bund und EU

  • KPC-Förderung für die thermische Sanierung von Betrieben: [7]
  • KPC-Mittel für die thermische Sanierung von öffentlichen Gebäuden: [8]

Maßnahmen

Neuauflage Wohnhaussanierungsrichtlinie (G1.3.1)

In der übernächsten Novelle der Wohnhaussanierungsrichtlinie sollten zum 01.01.2025 über die Anforderungen der BTV 2025 hinausgehend die folgenden Änderungen in umgesetzt werden:

  • Drastische Erhöhung der Gesamt-Fördersumme für die Gebäudesanierung; Finanzierung u.a. durch zweckgebundene Verwendung der Mittel des Wohnbauförderungsbeitrags. Diese betrugen 2017 für Vorarlberg etwa 50 Mio. EUR (Amann 2019). Zitat: „Mehrere Länder sind heute in der Lage, ihre Ausgaben für die Wohnbauförderung gänzlich aus Rückflüssen und den Erträgen aus dem Wohnbauförderungsbeitrag, ohne weitere Beiträge aus dem Landesbudget zu bedecken. Am besten gelingt dies seit mehreren Jahren Vorarlberg, wo allein die Rückflüsse ausreichen, die laufenden Ausgaben zu schultern. Die Erträge aus dem Wohnbauförderungsbeitrag in Höhe von ca. € 50 Mio. (2017) können für andere Zwecke verwendet werden.“
  • Reduktion der Gesamt-Fördersumme für den Neubau von Wohngebäuden zugunsten der Förderung hochwertiger Sanierungen
  • Eigene Sanierungsförderrichtlinie für den gemeinnützigen Wohnbau
  • Umstellung (eines Teils der Förderung) von zinsgünstigen Krediten auf verlorene Zuschüsse
  • Vereinfachung der Förderrichtlinie
  • Deutliche Erhöhung des Barwerts der Förderung pro Sanierungsfall und Differenzierung der Förderung – etwa nach Baualter, vorhandenem Heizsystem und zu erwartender Energieeinsparung
  • Beschränkung der Förderboni für Energie auf umfassende Sanierungen, die die Mindestanforderungen der BTV 2025 merklich unterschreiten:
    • Energieboni nur für Neubauten, deren zu erwartender realer Endenergieverbrauch (Heizung + Warmwasser) unter 50 kWh/(m²WNFa) für Gebäude mit Fernwärme- oder Biomasseheizung bzw. unter 18 kWh/(m²WNFa) für Gebäude mit Wärmepumpenheizung liegt
  • Verstärkung der Anreize zur Kopplung des Kesselaustauschs mit einer umfassenden Sanierung der Gebäudehülle

Die Kompetenz für die Maßnahme liegt beim Land Vorarlberg. Der Erfolg der Maßnahme kann über ein Monitoring der leitungsgebundenen Energieträger Fernwärme und Wärmepumpenstrom gemessen werden.

Geförderte Pilotprojekte zur seriellen Sanierung von Mehrfamilienhäusern und Nicht-Wohngebäuden (G1.3.2)

Angesichts des Arbeitskräftemangels in der Baubranche wird die notwendige Steigerung der Sanierungsrate nur erreichbar sein, wenn die Neubauleistung zurückgeht, wie dies aufgrund der demographischen Entwicklung zu erwarten ist (Amann, EIV) und wenn es gelingt, für einen möglichst großen Anteil des Sanierungsmarktes serielle, d.h. industriell vorgefertigte Sanierungen in hoher energetischer Qualität und zu niedrigen Investitionskosten anzubieten. Entsprechende Konzepte sind u.a. in den Niederlanden, Deutschland, Frankreich und Großbritannien in Umsetzung („energiesprong“ [9]). Um derartige Sanierungen auch in Vorarlberg zu etablieren, sollten Pilotprojekte an Mehrfamilienhäuern und Nicht-Wohngebäuden durchgeführt und vom Land gefördert werden – ähnlich, wie dies z.Zt. in Baden-Württemberg geschieht.

Die Kompetenz für die Maßnahme liegt beim Land Vorarlberg.

Der Erfolg der Maßnahme kann an der Zahl der in serieller Vorfertigung sanierten Wohn- und Nutzeinheiten gemessen werden.

Förderung für die Ansiedlung eines Betriebes, der Hüllelemente zur seriellen Sanierung produziert (G1.3.3)

In mehreren Staaten wird seit einigen Jahren eine deutlich steigende Anzahl serieller Sanierungen durchgeführt. Bislang werden die benötigten Fassadenelemente in herkömmlich ausgestatteten, größeren Zimmereibetrieben vorgefertigt. Nächster Schritt wird die Errichtung industrieller Fertigungsbetriebe sein, in dem/denen Kostenreduktionen durch Optimierung der Fertigung unter Einsatz von Robotern umgesetzt werden.

Für Vorarlberg als starkem Holzbaustandort besteht die Chance, einen solchen Fertigungsbetrieb anzusiedeln, um den eigenen Markt und den der Nachbarländer zu beliefern.

Die Kompetenz für die Maßnahme liegt beim Land Vorarlberg.

Der Erfolg der Maßnahme kann an der Zahl der angesiedelten Fertigungsbetriebe gemessen werden.

Ausbau des Beratungsprogramms der Sanierungsvorberatung (Sanierungslotse) (G1.3.4)

Das Beratungsprogramm versetzt Besitzer von älteren Wohngebäuden in die Lage, einzuschätzen, welche Optionen (Abriss und Neubau, Erweiterung und Teilung in mehrere Wohneinheiten…) sie zur Weiternutzung ihrer Immobilie haben. Die Beratung kann dazu beitragen, den Besitzern die Möglichkeiten von Sanierungen aufzuzeigen und dadurch bewirken, dass die Sanierungsrate steigt. Die Anzahl der Beratung sollte in Zukunft deutlich gesteigert werden, Bewohner entsprechender Gebäude könnten proaktiv angeschrieben werden. Darüber hinaus könnten in der Beratung auch Finanzierungs- und Abwicklungsinstrumente verschiedener marktakteure angesprochen werden.

Die Kompetenz für die Maßnahme liegt beim Land. Der Erfolg der Maßnahme kann durch die Anzahl der Beratungen gemessen werden.

Erhöhung des Angebots an Gesamtsanierungskonzepten inkl. Umsetzung (G1.3.5)

Ein Hemmnis für Sanierungen insgesamt ist der hohe organisatorische Aufwand für die Besitzer. Diese müssen Planer und Handwerker für verschiedene Gewerke suchen und haben Schwierigkeiten, vorab verbindliche Angebote für die Gesamtkosten der Sanierung zu erhalten. Diese Unsicherheit kann ein Grund für das Nicht-Handeln (Leerstand --> G3.1) oder für die Entscheidung für Abriss und Sanierung sein. Ein Mitgrund für die Schwierigkeit, vorab verlässliche Kosten für Sanierungen zu erhalten ist, dass es für die Baubranche i.d.R. einfacher und somit auch attraktiver ist, Neubauten zu erstellen, als Sanierungen durchzuführen. Eine Möglichkeit zur Minderung dieses Hemmnisses ist eine Umstellung der Arbeitsschwerpunkte der Bauwirtschaft durch Schaffung von Angeboten zur Gesamtsanierung – entweder als Gesamt-Umsetzungspaket oder als Gesamtpaket inkl. aller Planungsleistungen [10]. Auch Konzepte wie die serielle Sanierung nach Vorbild des niederländischen „energiesprong“ und Angebote wie renowate [11] mit seriellen Sanierungen zu Fixpreisen beseitigen das Hemmnis der Kostenunsicherheit.

Die Kompetenz für die Maßnahme liegt bei der Bauwirtschaft. Um die notwendige Umstrukturierung anzustoßen, sind einige unterstützende Maßnahmen notwendig:

  • Eine verlässliche, dauerhafte Verlagerung von Fördermitteln vom Neubau zur Sanierung (Erhöhung des Gesamt-Budgets des Landes und des Bundes für Sanierungs-Förderungen). Die Finanzierung dieser erhöhten Mittel muss nachhaltig gesichert sein, etwa durch Einnahmen aus einer nationalen CO2-Bepreisung oder aus der von der EU geplanten CO2-Bepreisung. Die EU plant derzeit eine Einbeziehung des Gebäudesektors in die CO2-Bepreisung.
  • Die Erhöhung der Förderung pro Förderfall
  • Die Verlagerung der Ausbildungsschwerpunkte in Handwerk und Planung vom Neubau auf die Sanierung (siehe folgender Punkt: Einwirkung auf den Bund)
  • Die Attraktivierung der Bau-Handwerksberufe als Mittel gegen den Arbeitskräftemangel

Einwirkung auf den Bund

Ermöglichung der Umstellung auf Warmmietmodelle zur Beseitigung des Vermieter/Mieter-Dilemmas

Eines der Haupthindernisse bei der Umsetzung hochwertiger energetischer Sanierungen ist das so genannte Vermieter/Mieter-Dilemma: Während der Vermieter die Investitionskosten der Sanierungsmaßnahmen trägt, profitiert der Mieter vom Nutzen, der Verringerung der Energiekosten. Um dieses Dilemma aufzulösen, ist in Schweden das Warmmietmodell Standard, in dem der Mieter und Vermieter eine Gesamtmiete inkl. Energiekosten vereinbaren. Der Vermieter kann dadurch die Energiesparmaßnahmen wirtschaftlich optimieren, im Mittel sind dadurch bessere energetische Sanierungsqualitäten zu erwarten. Ähnliche Modelle werde auch in energiesprong umgesetzt: die energetische Sanierung wird über langfristige Verträge durch die Energiekosteneinsparung finanziert.

Die Kompetenz der Maßnahme liegt beim Bund. Der Erfolg der Maßnahme kann durch die Anzahl der Wohneinheiten gemessen werden, die nach dem Warmmiet-Modell vermietet werden.

MwSt für Sanierungen reduzieren

Die Baukosten für Neubau und Sanierung sind in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen, als die allgemeinen Lebenshaltungskosten. In Ergänzung zu verbesserten Fördermaßnahmen sollte ein reduzierter Mehrwertsteuersatz für energetische Sanierungsleistungen eingeführt werden.

Die Kompetenz der Maßnahme liegt beim Bund, evtl. muss sie EU-rechtlich überprüft werden.

Erfolgsindikator ist die Einführung der Maßnahme (ja/nein).

EVB und Höhe der Sanierungsrücklagen im Eigentumsbereich deutlich erhöhen

Das Haupthindernis für die Durchführung energetischer Sanierungsmaßnahmen ist, dass für einen Großteil des Gebäudebestandes keine ausreichenden Sanierungsrücklagen gebildet werden. Diese sollten lt. dem Eigentümerverband Haus und Grund (Deutschland) etwa 1,5% der Investitionskosten des Neubaus betragen.

Bestehende Instrumente zur Sicherung der Rücklagenbildung wie der Erneuerungs- und Verbesserungsbeitrag (EVB) im gemeinnützigen Wohnbau sind deutlich zu niedrig und werden schon durch regelmäßige Instandhaltungsarbeiten (wie etwa das Herrichten der Wohnung bei Mieterwechsel) vollständig oder zu großen Teilen aufgebraucht. Für umfassende Sanierungen nach 30 bis 40 Jahren stehen keine oder zu geringe Rücklagen zur Verfügung.

Einführung einer Sanierungsrücklage für öffentliche Gebäude

Analog zu den Regelungen für den Wohnbau sollte eine ausreichend dotierte, verpflichtende Sanierungsrücklage für die Eigentümer öffentlicher Gebäude eingeführt werden (Bund, Land, Gemeinde). Die benötigten Rücklagen sollten in der mittelfristigen Finanzplanung berücksichtigt werden.

Die Kompetenz der Maßnahme liegt beim Bund. Erfolgsindikator ist die Einführung der Maßnahme (ja/nein).

Auswirkungen der Umsetzung

...auf die Ökonomie

in Arbeit

...auf den Arbeitsmarkt

in Arbeit

Sonstige Auswirkungen

Co-Benefits

Reduktion externalisierter Kosten, Gesundheit, Lebensqualität, Versorgungssicherheit, Sozialkapital,...

Nachteilhafte Nebenwirkungen

Partizipation

Wie müssen die betroffenen Akteure miteinbezogen werden?

Umsetzergruppe

Interessensvertretungen, Netzwerke

Technologie- und Lösungsanbieter

Unabhängige FachexpertInnen

Allgemeine Anmerkungen