Handlungsfeld G3.4: Reduktion der grauen Emission durch Baustoffwahl

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Für den Inhalt verantwortlich: Martin Ploß

Mitarbeit: Theresia Tschol, Hermann Kaufmann, Dietmar Lenz, Christof Drexel

Das Handlungsfeld mit seinen abgeleiteten Maßnahmen bezieht sich auf das Aktionsfeld 6.4.3.5 (Materialität) der Strategie der EA+.

Status quo

Ausgangslage und Zielsetzung

Wie Untersuchungen für Deutschland zeigen, haben die Emissionen für die Herstellung von Baumaterialen und Gebäuden/Sanierungen einen bedeutenden Anteil an den Gesamtemissionen des Handlungsfeldes Errichtung und Betrieb von Gebäuden: Etwa 75% der Emissionen des Gebäude-Sektors entstehen durch den Betrieb der Gebäude (Heizung, Warmwasser, Kühlung, Beleuchtung, Haushalts- und Nutzerstrom…), etwa 25% für die Herstellung und Sanierung von Gebäuden (Ramseier 2020). Der Anteil des Sektors Errichtung und Betrieb von Gebäuden an den Gesamt-Emissionen Deutschlands liegt bei etwa 40% [1]. Die Zahlen für Österreich dürften in einer ähnlichen Größenordnung liegen. Tendenziell dürfte der Anteil der Emissionen für die Herstellung und Sanierung von Gebäuden in Österreich sogar noch höher liegen, da die Neubaurate (im Wohnbau) mehr als doppelt so hoch ist wie in Deutschland. Der prozentuale Anteil der Emissionen für die Herstellung nimmt mit zunehmender energetischer Qualität zu.

Insbesondere Beton (Zement, Stahl), Ziegel, sowie Stahl- und Glas-Konstruktionen sind in hohem Ausmaß mit grauen Emissionen verbunden. Naturbaustoffe (Holz, Lehm, ...) schneiden diesbezüglich deutlich besser ab, können aber nicht für alle Anwendungen eingesetzt werden: Für Tiefgaragen etwa sind emissionsarme Betonalternativen gefragt - von Hochofenzement ("CEM III/B" [2]) über Klimabeton [3] bis hin zu Basalt- oder Carbonfasern anstelle von Stahlbewehrungen [4]. In Summe liegt das Einsparpotenzial auf Ebene von Einzelgebäuden bei 50 bis 80%; wenn auf Ebene des gesamten Bauvolumens zwei Drittel des Potenzials gehoben werden, vermeiden wir damit rund 50% der grauen Emission des Bauens. In Bezug auf die gesamte Bautätigkeit ist somit eine Reduktion um -0,4 Tonnen CO2 pro Person und Jahr möglich.

Die zunehmende Verbreitung des Holzbaus geht mit ökonomischen Optimierungen einher, sodass die Mehrkosten gegenüber der Massivbauweise sukzessive reduziert werden können. Der Holzbau beschränkt sich auch längst nicht mehr auf zwei- oder drei-geschossige Gebäude, wie das Vorarlberger Unternehmen CREE eindrücklich unter Beweis stellt [5].

Gesetze und Verordnungen, regional

  • Bautechnikverordnung

Gesetze und Verordnungen, Bund und EU

Förderungen und Subventionen, regional

  • Wohnbauförderung Vorarlberg 2021/2022: [7] – Boni für guten Ökoindex (OI) und für einzelne Maßnahmen mit Bezug zu den grauen Emissionen (Holzfassade, Wände und Decken aus regionalem Holz, Verwendung nachwachsender Dämmstoffe)

Förderungen und Subventionen, Bund und EU

  • KPC-Förderung für Gebäude in Holzbauweise [6]

Maßnahmen

Neuauflage Bautechnikverordnung (G3.4.1)

In der für den 01.01.2025 geplanten Neuauflage der Bautechnikverordnung Vorarlberg die folgenden Änderungen mit Bezug auf die Verringerung grauer Emissionen aufgenommen werden:

  • Einführung einer nach Gebäudetyp differenzierten, verpflichtenden Mindestanforderung bezüglich der grauen Emissionen von Wohn- und Nicht-Wohngebäuden. Die Grenzwerte sollten sich für Neubauten auf das gesamte Gebäude inkl. der Haustechniksysteme und nicht nur auf die Gebäudehülle beziehen. Die Justierung sollte zunächst vorsichtig erfolgen und nach Auswertung der Erfahrungen mit Projekten aus der Wohnbauförderung (G3.4.2) und von Pilotprojekten (G3.4.4) in einer weiteren Novelle der BTV verschärft werden. Für Sanierungen sollten sich die Grenzwerte nur auf die veränderten Bauteile und Haustechnikkomponenten beziehen. Die Mindestanforderungen sollten möglichst schnell als Teil einer umfassenden Gebäudebewertung ähnlich dem Kommunalgebäudeausweis [7] eingeführt werden.

Umsetzungsbeispiele aus Deutschland: [8] [9]

Die Kompetenz für die Maßnahme liegt beim Land.

Der Erfolg der Maßnahme kann an den mittleren grauen Emissionen je Gebäudetyp gemessen werden.

Neuauflage Wohnbauförderrichtlinie (G3.4.2)

In der übernächsten Novelle der Wohnbauförderrichtlinie sollten zum 01.01.2025 die folgenden Änderungen mit Bezug auf die Verringerungen grauer Emissionen umgesetzt werden:

  • Erhöhung der Förderungen für den Holzbau. Festlegung der Förderhöhe nicht progressiv mit steigender verbauter Holzmenge, sondern unter Berücksichtigung der Begrenztheit auch des Rohstoffs Holz. Bewertungsgrundsatz sollte daher eher die Menge der durch den Holzbau verdrängten, hochemissiven Baustoffe wie STB sein. Dadurch werden auch kompakte Baukörper bevorzugt, die neben dem Ressourcenverbrauch auch ökonomisch vorteilhaft sind.
  • Einführung einer Förderung für Gebäude mit sehr niedrigen spezifischen Treibhausgasemissionen für die Herstellung. Die Förderung steigt progressiv in Abhängigkeit von den spezifischen Treibhausgasemissionen für die Herstellung an. Die Grenzwerte sollten sich auf das gesamte Gebäude inkl. der Haustechniksysteme (nicht nur auf die Gebäudehülle) beziehen. Sie sollten sich – über die Anforderungen der Bautechnikverordnung hinaus - an den grauen Emissionen von best-practice-Projekten orientieren.

Die Kompetenz für die Maßnahme liegt beim Land.

Der Erfolg der Maßnahme kann an der Anzahl der Gebäude/Wohneinheiten gemessen werden, die den Bonus für niedrige spezifische graue Emissionen in Anspruch genommen haben.

Neuauflage Wohnhaussanierungsrichtlinie (G3.4.3)

In der übernächsten Novelle der Wohnhaussanierungsrichtlinie sollten zum 01.01.2025 die folgenden Änderungen mit Bezug auf die Verringerungen grauer Emissionen umgesetzt werden:

  • Einführung progressiver Förderungen in Abhängigkeit von den spezifischen Treibhausgasemissionen von Sanierungen für die Herstellung. Die Grenzwerte sollten sich auf alle im Zuge der Sanierung neu errichteten Bauteile/Bauteilschichten inkl. der Haustechniksysteme beziehe. Sie sollten sich – über die Anforderungen der Bautechnikverordnung hinaus - an den grauen Emissionen von best-practice-Sanierungs-Projekten wie SüdSan orientieren.

Die Kompetenz für die Maßnahme liegt beim Land.

Der Erfolg der Maßnahme kann an der Anzahl der sanierten Gebäude/Wohneinheiten gemessen werden, die den Bonus für niedrige graue Emissionen in Anspruch genommen haben.

Pilotprojekte zur Reduktion der grauen Emissionen von Gebäuden inkl. Haustechnik und zur Optimierung unter dem Gesichtspunkt des zirkulären Bauens (G3.4.4)

  • Als Grundlage für eine strengere Justierung von Anforderungen an die grauen Emissionen in der BTV sollten ab 2024 geförderte Pilotprojekte (Neubau und Sanierung) durchgeführt werden. Die Gebäude sollten jedenfalls Paris-kompatiblen Standard in Bezug auf ihren Energiebedarf und ihre Emissionen im Betrieb haben. In den Projekten sollten – für unterschiedliche Marktsegmente wie EFH, Mehrfamilienhaus klein, Mehrfamilienhaus groß und verschiedene Arten von Nicht-Wohngebäuden - unterschiedliche Konzepte zur Reduktion der grauen Emissionen und zur Optimierung unter dem Gesichtspunkt des zirkulären Bauens getestet werden. Für die Pilotgebäude sollten auch etwaige investive Mehrkosten ermittelt werden, so dass die Wirtschaftlichkeit verschiedener Strategen zur Reduktion der grauen Emissionen und des zirkulären Bauens bewertet werden kann.

Die Initiative könnte von der WKV in Kooperation mit dem EIV betrieben werden.

Der Erfolg der Maßnahme kann an der Anzahl der realisierten Pilotgebäude gemessen werden.

Weiterbildung von Akteuren zum Thema BIM forcieren (G3.4.5)

  • Die Anwendung von BIM-Modellen kann die Bilanzierung der grauen Energie und anderer Indikatoren in der Ökobilanzierung stark vereinfachen. Sie können darüber hinaus als Instrument zur Planung der Rückbaubarkeit von Gebäuden verwendet werden (siehe nächstes Handlungsfeld). BIM wird in Vorarlberg aufgrund der kleinteiligen Struktur der Planungs- und Ausführungsbetriebe nur in Ansätzen verwendet. Die Weiterbildung von Planern und Ausführenden zum Thema BIM sollte daher bezuschusst werden.

Die Kompetenz für die Maßnahme liegt beim Land.

Der Erfolg der Maßnahme kann an der Anzahl der Teilnehmer an BIM-Fortbildungen gemessen werden.

Einwirkung auf den Bund / OIB

CO2-Bepreisung einführen und Zeitplan für progressive Bepreisungssätze fixieren

Die angekündigte CO2-Bepreisung sollte schnellstmöglich eingeführt werden, ein Zeitplan für die progressive Gestaltung der Bepreisungssätze fixiert werden. Die CO2-Bepreisung sollte so festgelegt werden, dass Kostenwahrheit entsteht, d.h., dass externe Kosten der Emissionen internalisiert werden. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung könnten in einer Anfangsphase teilweise dazu genutzt werden, niedrigemittierende Baustoffe/-produkte (wo noch nötig) weiterzuentwickeln und zu fördern.

Verpflichtende Einführung eines bundesweit (europäisch) einheitlichen Reglements zur Berechnung der grauen Emissionen

Als bundesweit (europäisch) einheitliche Grundlage zur Berechnung der grauen Emissionen sollte ein Reglement zur Berechnung der grauen Emissionen von Baumaterialien, Konstruktionen und Gebäuden definiert werden (LCA). Auf Grundlage dieses Reglements sollten verbindliche Grenzwerte für die grauen Emissionen verschiedener Gebäudetypen festgelegt werden – zunächst für Förderungen, später als verbindliche, baurechtliche Anforderung analog zum Energieausweis (siehe Maßnahmen G 3.4.1 bis G3.4.3 als Vorarlberger Umsetzung). Das Reglement könnte als eigene OIB Richtlinie eingeführt werden.

Auswirkungen der Umsetzung

...auf die Ökonomie

Ob und in welcher Höhe Gebäude in Holzbauweise Mehrkosten verursachen, hängt von vielen Faktoren ab. Von kostenneutral bis 10% wird alles genannt; eine wertvolle exemplarische Analyse lieferte in diesem Zusammenhang eine Studie von Rhomberg Bau und Wohnbauselbsthilfe in Zusammenarbeit mit dem Energieinstitut [10] [11]. Zwei ansonsten baugleiche Mehrfamilienhäuser wurden einmal in Massiv- und einmal in Holzbauweise errichtet; das Ergebnis: Zwei- bis drei-geschossige Gebäude können mit sehr geringen Mehrkosten (0,6%) in Holzbauweise errichtet werden. Bei Hochhäusern bis zu sieben Geschossen wird der Unterschied mit 3% beziffert. Die deutlich kürzere Bauzeit wurde dabei monetär nicht bewertet.

Für die Errichtung von, wie in der Ausgangslage beschrieben, zwei Drittel des Neubauvolumens (derzeit ca. 500.000 m² Nutzfläche) in Holzbauweise, werden für jeweils die Hälfte des Volumens Mehrkosten in der Höhe von 1 bzw. 3% veranschlagt (Basis Baukosten: 2500 €/m²).

Dies führt zu Mehrkosten von insgesamt 17 Mio. €/a; die CO2-Vermeidungskosten liegen bei 60 bzw. 180 €/Tonne.

...auf den Arbeitsmarkt

in Arbeit

Sonstige Auswirkungen

Co-Benefits

Reduktion externalisierter Kosten, Gesundheit, Lebensqualität, Versorgungssicherheit, Sozialkapital,...

Nachteilhafte Nebenwirkungen

Partizipation

Wie müssen die betroffenen Akteure miteinbezogen werden?

Umsetzergruppe

Interessensvertretungen, Netzwerke

Technologie- und Lösungsanbieter

Unabhängige FachexpertInnen

Allgemeine Anmerkungen