Handlungsfeld Q3.1: Gesundheit als Treiber der Transformation nutzen

Aus EGD
Zur Navigation springen Zur Suche springen

“Climate change is the greatest global health threat facing the world in the 21st century, but it is also the greatest opportunity to redefine the social and environmental determinants of health.” Lancet Countdown

Klimaschutz ist Gesundheitsschutz – Wer ist zu retten, das Klima oder wir?

Gesundheitsdeterminanten (Barton & Grant 2006)
Direkte und indirekte Wirkungen Klimawandel und Gesundheit (WHO 2022)

Die Anstrengungen zur Erreichung des Pariser Klimaabkommens ist wahrscheinlich das größte globale Gesundheitsvorhaben, welches es jeher gegeben hat. Das 1.5°C-Ziel muss erreicht werden, um unsere Gesundheit zu erhalten. Ein Leben in guter Gesundheit ist von unserem globalen Ökosystem, in dem wir leben, ebenso abhängig wie von der genetischen Veranlagung, Verhaltensfaktoren (gesunder Lebensstil), von unseren sozialen und kommunalen Netzwerken, den Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie von der sozioökonomischen und kulturellen Umwelt (Schulz & Herrmann, 2021, S. 2)

Nun sind wir an dem Punkt der planetaren Grenzen angelangt und überschreiten diese im Übermaß (WWF 2020). Dies hat Einfluss auf alle Gesundheitsdeterminanten. Das Klima „wandelt“ unsere ökologische Umwelt, unser Zusammenleben und schlussendlich auch unsere Gesundheit. Die globale Vernetzung – insbesondere der Weltwirtschaft – befeuert das Ausmaß der Wirkkreise (APCC, 2018, S. 62) Die im Jahr 2018 entstandene Canmore-Deklaration unterstreicht das Untrennbare: die Gesundheit der Menschen ist unmittelbar mit der „Gesundheit“ des Planeten verbunden und bettet somit die Gesundheit in die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen ein (Schulz & Herrmann, 2021, S. 3).

Unzählige wissenschaftliche Belege zeichnen das komplexe Bild der direkten und indirekten Auswirkungen auf unsere Gesundheit. welche durch demografische, geografische und sozioökonomische Ungleichheiten verstärkt werden (Abbildung 2). „The Lancet Countdown on Health and Climate Change 2021“ spricht daher davon, dass der Klimawandel die größte Bedrohung für die Gesundheit ist und stuft unsere Lage als „medical emergency“ ein (Romanello et al. 2021).

In den österreichischen Gesundheitszielen (Gesundheitsziel 4 Luft, Wasser, Boden und alle Lebensräume für künftige Generationen sichern“), den Sustainable Development Goals (SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz und SDG 3 Gesundheit und Wohlergehen) als auch dem Nationalen Energie- und Klimaplan werden die Themen Gesundheit und Klimaschutz adressiert. 2018 wurde von einem sektorenübergreifenden Expert:innen-Gremium im Austrian Special Report Gesundheit, Demographie und Klimawandel (APCC 2018) die Evidenzlage für Österreich an der Schnittstelle Gesundheit und Klima aufgearbeitet. Der Bericht fasst den aktuellen Stand der klimainduzierten Phänomene mit Gesundheitsfolgen zusammen und priorisiert die Handlungsfelder nach dem Ausmaß des Gesundheitseffektes (Morbidität und Mortalität), der Evidenzlage und den Handlungsoptionen. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die vielfältigen Folgen der Klimawandels als Bedrohung für die Gesundheit einzustufen sind. (APCC, 2018) Gleichzeitig liegt darin aber auch die größte Chance für die Gesundheit, wenn beide Bereiche gemeinsam gedacht und adressiert werden: „Many of the interventions required to mitigate and adapt bring enormous benefits for human health and wellbeing in the form of cleaner air, healthier diets, and more liveable cities.“ (The Lancet Countdown, 2022)

Gesundheitsschutz ist Klimaschutz – Die Co-Benefits

Gleiche Ursachen, gleiche Lösungen. Viele der gesundheitlichen und klimarelevanten Probleme haben ähnliche Ursachen. Übermäßiger Konsum, hoch verarbeitete industrialisierte Lebensmittel, ständig steigende Motorisierung bedingen eine Ausbeutung unserer Umwelt und befördern Bewegungsarmut, Übergewicht, die Prävalenz von Krankheiten, verlorene Lebensjahre in guter Gesundheit und frühzeitigen Tod. Die zentralen Handlungsfelder der Ko-Benefits sind Ernährung, Mobilität sowie Stadtplanung/Wohnen (APCC, 2018). Begrünte Flächen statt Versiegelung, radfahrfreundliche Städte und Gemeinden statt Staus fördern die Luftqualität, die soziale Begegnung, die Gesundheit und reduzieren THG-Emissionen. Die Co-Benefits ermöglichen wesentliche Synergieeffekte für den Klimaschutz- und Gesundheitsbereich. Des Weiteren genießen Gesundheitsfachpersonen ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung und haben daher laut WHO eine Schlüsselrolle in der Transformation. Akteur:innen aus dem Gesundheitsbereich sollten daher als Botschafter:innen des Klimaschutzes mobilisiert werden (KLUG e.V. 2022; APCC, 2018; Neira 2014). Um die Akzeptanz in der Bevölkerung für die erforderlichen Klimaschutzmaßnahmen zu erhöhen, ist evidenzbasiert zu argumentieren und sollten Lösungen im Diskurs angegangen werden. Ein glückliches, lebenswertes und gesundes Leben erfordert starken sozialer Zusammenhalt, faire Lebensbedingungen und gesundheitsförderliche Strukturen – alles in allem THG-emissionsarme Bedingungen. „Weltuntergangsszenarien“ können so durch ein positives Bild von einer gesunden und klimafitten Zukunft ersetzt werden.

Gesundheit als Treiber der Transformation nutzen – die Maßnahmen

© Graphic Recording von Anna Egger

• Nationaler politikübergreifender Plan zu Gesundheit und Klimawandel

• Stärkung der klimarelevanten Gesundheitskompetenz des Fachpersonals und der Bevölkerung

• Gesundheit als Narrativ in der Klimabewegung– das WARUM für Klimaschutzmaßnahmen (was passiert mit unserer Gesundheit, wenn wir nichts tun), aber auch das WOFÜR (lebenswertere Zukunft)

• Sektorenübergreifende Zusammenarbeit bei Lösungen unter Beteiligung von Fachpersonen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich, da die Umwelt, die Gesundheit und die Chancengerechtigkeit sich gegenseitig beeinflussen – Maßnahmen sollten immer mit einer „equity lens“ begutachtet werden, sodass Ungleichheiten nicht vergrößert werden (Haas, 2021)

• Ein Collective Leadership im Umwelt-, Gesundheits- und Sozialbereich für eine klimafreundliche, chancengerechte und gesundheitsförderliche Zukunft

• Gesundheits- und Fachpersonen des Sozialbereiches als Botschafter:innen der Transformation, indem „Klima und Gesundheit“ in Aus-, Fort- und Weiterbildung integriert wird

• Systematische Durchführung von Gesundheitsfolgenabschätzungen (GFAs) und Integration in Umweltverträglichkeitsprüfungen

• Grundprinzipien der Gesundheitsförderung anwenden: Partizpation,…

• Co-Benefits: Synergien nutzen – personell, finanziell, konzeptionell

• Gesundheit in Kosten-Nutzen-Analysen von Klimawandelanpassungs- und abmilderungsstrateigen integrieren (The Lancet Countdown 2020)

• Abschaffung von Strukturen und Systemen, welche gesundheits- und klimaschädigend sind

• Förderung von gesundheitsförderlichen und klimafreundlichen Verhalten und Systemen/ Strukturen

APCC, 2018

Weitere Details und Maßnahmen siehe: APCC (2018). Österreichischer Special Report Gesundheit, Demographie und Klimawandel (ASR18). Austrian Panel on Climate Change (APCC). Verlag der ÖAW, Wien.

Einbettung

Die Zusammenführung von Gesundheit und Klima fügt sich in folgende internationale, österreichische und Vorarlberger Strategien ein:

• Pariser Klima-Übereinkommen

• Agenda 2030 – SDGs

• EU Missionen

• Gesundheitsziele Österreich

• Österreichische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel

• FTI-Strategie der Bundesregierung

• integrierte Energie- und Klimastrategie

• Österreichische Klimaschutzinitiative klimaaktiv (mobil)

• NAP.e und NAP.b

• Masterplan Gehen

• Masterplan Radfahren

• Strategie und Aktionsplan zur Anpassung an den Klimawandel in Vorarlberg

• Energieautonomie+

• Mission Zero V  

Literatur

APCC (2018). Österreichischer Special Report Gesundheit, Demographie und Klimawandel (ASR18). Austrian Panel on Climate Change (APCC). Verlag der ÖAW, Wien.

Barton, H., & Grant, M. (2006). A health map for the local human habitat. The Journal of the Royal Society for the Promotion of Health 126(6). pp. 252-3.

Haas, W. (2021). Gesundheit für Alle. In Armutskonferenz, Attac & BEIGEWUM (Hrsg.). Klimasoziale Politik. Eine gerechte und emissionsfreie Gesellschaft gestalten (S. 131-141). 2. Auflage. Bahoe Books. Wien.

Neira, M. (2014). Climate change: An opportunity for public health. Department of Public Health, Environmental and Social Determinants of Health, WHO.

Romanello, M. et al. (2021). The 2021 report of the Lancet Countdown on health and climate change: code red for a healthy future. The Lancet (398).pp. 1619-62.

Schulz, C.M., & Herrman, M (2021). Planetary Health. In Traidl-Hoffmann, C., Schulz, C., Herrmann, M., Simon B. (Hrsg.), Planetary Health. Klima, Umwelt und Gesundheit im Anthropozän (S. 2-6). Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.

The Lancet Countdown (2020). Policy brief for the EU. Available on: https://storage.googleapis.com/lancet-countdown-preprod/2020/12/Lancet-Countdown-Policy-Brief-EU.pdf

The Lancet Countdown (2022, January 12). Tracking the connections between public health and climate change. lancetcountdown.org/

The Lancet Countdown (2022, January 12). Tracking the connections between public health and climate change. lancetcountdown.org/

Watts, N., et al. (2015). Health and climate change: policy responses to protect public health. The Lancet (386:10006), pp. 1861-1914.

WHO (2023). Climate change and health. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/climate-change-and-health

WWF (2020) Living Planet Report 2020 - Bending the curve of biodiversity loss. Almond, R.E.A., Grooten M. and Petersen, T. (Eds). WWF, Gland, Switzerland.